04 Aug Ohne Larmoyanz und Zeigefinger
Zur letzten Veranstaltung begrüßte Juliane Putzmann das Publikum mit den Worten „Wir sind große Fans dieser Inszenierung.“ Unter der Regie der Münchenerin Gisela Maria Schmitz, die auch das Textbuch verfasst hatte, kam „Wunder gibt es immer wieder“ bereits 2019 auf die Backnanger Bandhaustheaterbühne. Der 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts sollte nämlich mit einem Schlagerabend gefeiert werden, der es in sich hatte. Auf der Grundlage von Originaltexten aus Gesetzen, Werbung und eben der Schlagermusik entstand das beinahe schockierende Bild der Situation von Frauen bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein. Wie schön, dass wir heute darüber lachen können!
Sarah Finkel, Jörg Pauly und Leslie Roehm sowie Heike Beckmann am Klavier gestalteten den Abend auf der Stiftshofbühne mit Witz und Esprit und markierten die historische Entwicklung der Geschlechterrollen anhand einfacher, aber wirkungsvoller Mittel. Besonders eindringlich geriet die Darstellung der Zeit des Faschismus und Nachkriegs in Deutschland: Menschliche Abgründe und Tragödien, die gekontert werden von einem „Davon geht die Welt nicht unter!“ Es ist dies, gelinde gesagt, weniger witzig, spiegelt aber den Irrsinn einer Zeit, die den Frauen übrigens eine Emanzipation aufzwang, welche die allmählich zurückkehrenden Männer ein weiteres Mal erniedrigen sollte. Die große Leistung der Inszenierung liegt darin, auch solche Aspekte zu zeigen, anstatt allzu plattem Feminismus oder der „Feministik“, wie es an einer Stelle heißt, das Wort zu reden.
So fand also der Erste Backnanger Kultursommer einen wunderbaren Abschluss. „Wunder gibt es immer wieder“ bescherte Unterhaltung mit Tiefgang und eine Art Crossover verschiedener Kunstgenres – hier waren es Schauspiel- und Gesangskunst die – wunderbar – zusammenkamen und Politisches transportierten, ohne Verbissenheit zu bedienen. Geschichtsschreibung ohne Larmoyanz und Zeigefinger.