19 Jul Hineingehört ins Tohuwabohu
Der Markgrafenhof sei der schönste Platz in Backnang, und er habe etwas Poetisches, so die zweite Vorsitzende des Heimat- und Kunstvereins Brigitte Jacob einleitend, und weiter: „Heute Abend wird’s voll konkret poetisch.“ Das Jandln sei die fortwährende Realisation von Freiheit, schließlich: Sein Erfinder, Ernst Jandl „hat sich selbst beim Freisein zugeschaut.“
Mit der Aufforderung herzuhören und hörzuhören begann die Leseperformance von Ulrich Olpp und Jonas Heck (Drums) erwartungsgemäß experimentell und gewitzt, die beiden Künstler hatten aber auch Proben des ernsteren Materials mitgebracht, wobei – auch das soll gesagt werden – gerade bei Jandl im Witz sich Abgründe auftun können.
„Ottos Mops“ fehlte nicht, und Olpp erzählte von einem einschneidenden Erlebnis in der neunten Klasse: Der Deutschlehrer, grußlos, wortlos, stellte eines Tages einfach einen Kassettenrecorder auf den Tisch. „Heraus kam: ‚Ottos Mops‘.“
Die Performance nun zeigte Jandl in den verschiedensten Zusammenhängen, darunter: Jandl und der Krieg, Jandl und der Friede, Jandl – der Naturfreund, Jandl fürs Wohnzimmer, … für die Nachmittagsgäste, … als Seelentröster, Jandl und die Philosophie …
Der Drummer schien etwa den Krieg ankündigen zu wollen, in dem er Marschrhythmen andeutete, und was folgte war alles andere als lustig („Wien Heldenplatz“). Ja und selbst die Kaffeetafel („Tassen“) mit ihrem „Nääähmen se sich…“ lässt eine tiefe Abneigung des Autors gegen den Massengeschmack ahnen.
Der Vortragende, Ulrich Olpp, hatte sich auf die Skulpturentreppe begeben und war bei anfangs gleißender Sonne von den Zuschauern nur im Gegenlicht auszumachen, Schlagzeuger Jonas Heck, saß unbeschuht zu Füßen der Treppe im Schatten, so dass für die beiden kaum Blickkontakt möglich war – verstanden haben sie sich trotzdem. Überaus intensiv: die Rezitationen von Olpp, der Jandls Wortspielen das weite Spektrum der eigenen Stimme sehr wirkungsvoll integrierte, dazu das Schlagzeug: kooperativ, experimentell, treffend Stimmungen illustrierend oder konterkarierend, behutsam mit Besen das Becken streichelnd, es mit der Stockspitze bearbeitend oder energisch im Stakkato hartes Holz auf härteres Metall treffen lassend – je nach dem.
Gegen Ende der Lesung, war die Sonne hinter der großen Cortenstahl-Skulptur verschwunden und Ulrich Olpp nun auch richtig sichtbar geworden. Begeistert applaudierend und pfeifend forderte das Publikum zwei Zugaben ein, und dankbar wurde ihm die Bitte gewährt. Es erklang das Gedicht „Sommer“ sowie zuletzt noch einmal „Tohuwabohu“.